Wann hat in Ihrem Unternehmen zum letzten Mal eine größere Organisationsveränderung stattgefunden? Wenn Sie in einem Konzern oder einem anderen größeren Unternehmen tätig sind, ist das wahrscheinlich gar nicht so lange her.

Oft geht eine Re-Organisation sogar direkt in die nächste über. Jeweils mit einem großen, langen Projekt, vielen BeraterInnen und vor allem dem Ziel, dass jetzt wirklich alles anders und besser wird. Und? Werden diese Ziele dann auch erreicht? Wie viele Organisationsveränderungen kennen Sie, die das bewirkt haben, was man sich erhofft hat? Wenige? Keine? Dann sind Sie damit nicht alleine.

Es verwundert daher auch nicht, dass Re-Organisationen keinen guten Ruf haben. Wirklich verwunderlich ist allerdings, dass in vielen Organisationsveränderungen immer wieder die gleichen Fehler gemacht werden. Das ist ärgerlich, weil sie viel Zeit und Hirnschmalz in Anspruch nehmen. Es ist aber vor allem schade, weil gutes Organisationsdesign tatsächlich vieles möglich kann – von besseren Chancen für die Wertschöpfung bis zum wirksameren Arbeiten für viele Menschen.

Daher möchte ich hier sieben wichtige Gründe aufzeigen, warum Re-Organisationen so oft scheitern. Gefolgt von ein paar Hinweisen, wie man es anders machen kann.

Fehler #1: Es wird an der Organisation gearbeitet, obwohl gar nicht klar ist, warum.

Was soll nachher eigentlich anders sein? Und warum hat das etwas mit der Organisation zu tun? Sie glauben gar nicht, wie oft es auf diese Fragen abseits von Allgemeinplätzen keine wirklichen Antworten gibt.

Das kann helfen: Den Blick immer wieder auf das eine(!) große, marktbezogene und wertschöpfungsrelevante Problem richten, dass durch die organisatorische Veränderung gelöst werden soll. Wenn Ihnen sehr viele Probleme einfallen, dann ist das ein Indiz dafür, dass Sie Symptome im Blick haben. Das dahinter liegende Problem ist dann oft noch gar nicht identifiziert und daher auch noch nicht wirklich verstanden.

Fehler #2: Es wird an der Organisation gearbeitet, obwohl das Geschäftsmodell nicht geklärt ist.

Gutes Organisationsdesign setzt voraus, dass ein paar Fragen vorher beantwortet sind. Was ist unser Geschäft? Was ist der Mehrwert unserer Leistungen? Was sind die wichtigsten Faktoren für Einnahmen, Kosten und Gewinn? Wie ist unsere Positionierung im Markt? Auch hier gilt: Die Antworten sind oft sehr vage.

Das kann helfen: Das Geschäftsmodell möglichst kompakt auf den Punkt bringen und verschriftlichen. Nicht in Form von umfangreichen Powerpoints und langen Excel-Tabellen. Sondern in einer alltagssprachlichen, möglichst einfachen, aber präzisen und logischen Ausformulierung. Auf dieser Basis für Klarheit sorgen, oder – wenn nötig – die klärenden Diskussionen führen.

Fehler #3: Es wird an der falschen Organisationsstruktur gearbeitet, nämlich an der formellen.

Auch wenn es inzwischen schon Allgemeinwissen ist, dass es unwirksam ist: Am Ende führen die meisten Organisationsdiskussionen doch wieder zu einem Herumschieben von Kästchen und Linien im Organigramm. Das hat mit der Organisationsrealität wenig zu tun hat. Es auch nicht überraschend, dass sich die positiven Auswirkungen dann in Grenzen halten. Daran ändert sich auch nichts, wenn man sich auf die Prozessorganisation stürzt. Auch die ist ein Teil der formellen Organisationsstruktur. Es mach auch keinen großen Unterschied, wenn man die formelle Organisation im Sinne von agilen Frameworks oder soziokratischen Modellen gestaltet. Es bleibt beim Fokus auf die falsche Organisationsstruktur.

Das kann helfen: Sich im wahrsten Sinne des Wortes zuerst einmal ein gutes Bild von der Wertschöpfungsstruktur des Unternehmens zu machen und den Fokus des Organisationsdesigns genau dorthin zu richten. Denn tatsächlich gibt es in jeder Organisation immer drei, sich überlagernde Organisationsstrukturen. Die formelle Organisation ist nur eine davon, für die Wertschöpfung ist sie die Unwichtigste. Daneben gibt es eine informelle Organisationsstruktur, die auf Beziehungen und Einfluss basiert.

Noch wichtiger, aber oft unbeachtet, ist die dritte Organisationsstruktur: Eben die Wertschöpfungsorganisation, die auf Leistungserbringung, Können und Reputation basiert. In ihr entscheidet sich, ob das Unternehmen Wert für den Markt generiert, ob qualitätsvolle und innovative Leistungen erbracht werden, ob das Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich ist. In der alltäglichen Praxis, nicht unbeeinflusst, aber doch unabhängig von den anderen beiden Strukturen. Wie werden anspruchsvolle Kundenprobleme heute gelöst? Was steht dem im Weg? An wen denkt man, wenn neuartige Probleme auf dem Markt auftauchen? Was behindert diese Menschen? Was würde ihnen helfen?

Fehler #4: Es wird von „oben nach unten“ gearbeitet.

Das Organisationsdesign beginnt typischerweise auf der Ebene des Top-Managements, ordnet Aufgaben, Abläufe und Zuständigkeiten neu und arbeitet sich dann Schritt für Schritt in die Details der Organisation „hinunter“. Auch wenn dem oft aufwändige Analyseschritte zu Grunde liegen: Es ist häufig eine sehr abstrakte, oft auch abgehobene Organisationsgestaltung. Sie findet fern von den eigentlichen Organisationsschwierigkeiten und noch ferner von den tatsächlichen Marktproblemen statt.

Das kann helfen: Nicht von „oben nach unten“, (bitte auch nicht von „unten nach oben“), sondern von außen nach innen zu arbeiten. Sich vom Markt und seinen Anforderungen her der Organisationsgestaltung widmen. Die zu lösenden Marktprobleme und das Geschäftsmodell als Basis nehmen und dann jene Teile der Organisation, die direkten(!) Marktkontakt haben oder haben sollen, an den Beginn des Organisationsdesign stellen. Was braucht es dort, um möglichst gut und möglichst eigenständig agieren zu können?

In der Konsequenz bedeutet das zum Beispiel in einer Pflegeorganisation, das Unternehmen von den Pflegeteams her zu gestalten. Im Handel von den Filialen auszugehen. In der Software-Entwicklung von den Kundenprojekten. Es bedeutet eben nicht, das Organisationsdesign bei der Geschäftsführung, den Bereichsverantwortlichen oder den Vertriebsleitungen zu beginnen.

Fehler #5: Die Organisation wird von innen nach außen gestaltet.

Das Organisationsdesign startet häufig im Zentrum der Organisation, dort wo man die Steuerungsaufgabe vermutet und platziert. Das hängt oft mit dem vorherigen Punkt zusammen, ist aber doch ein eigenständiger und sehr gewichtiger Fehler. Da werden übergeordnete Geschäftsbereiche verändert, da werden zentrale Funktionen angepasst, da werden neue Steuerungsbeziehungen definiert und neue Hierarchien etabliert. Irgendwann geht es dann in die Fläche, kommen die Organisationseinheiten und Menschen mit direktem Marktkontakt ins Spiel. Da ist aber vieles bereits festgelegt und die Energie häufig auch schon verpufft.

Das kann helfen: Genau, so wie es oben beim Punkt 4 bereits beschrieben wurde – von außen nach innen zu arbeiten. Erst wenn die Organisation im direkten Marktkontakt klar ist, dann kann das Design des Organisationszentrums folgen. Nur das, was dann noch offen ist, ist überhaupt zentral zu gestalten. Das ist weniger, als man denkt. Die Steuerung in der Organisation sollte ohnehin von außen nach innen stattfinden und nicht umgekehrt.

Fehler #6: Es wird nur mit wenigen an der Organisation gearbeitet.

Nach wie vor sind Re-Organisationen häufig „Geheimprojekte“. Sie werden durch interne Stabstellen und externe BeraterInnen entwickelt und mit dem Top-Management diskutiert. Es gibt zwar Analyse-Interviews, vielleicht auch das eine oder andere Partizipationsformat, eine echte Mitgestaltung findet aber selten statt. Erst wenn die wesentlichen Design-Entscheidungen getroffen sind, dann gibt es im Rahmen des „Change Managements“ die Möglichkeit und die Aufgabe, die Details zu entwickeln.

Das kann helfen: Das Organisationsdesign von Beginn von jenen gestalten zu lassen, die die wertschöpfenden Leistungen der Organisation erbringen. Den Pflegekräften vor Ort, den MitarbeiterInnen in den Filialen, den Kundenprojektteams, den ServicetechnikerInnen. Also all jenen, die den Markt tagtäglich spüren, die laufend mit den Kunden kommunizieren und dadurch wissen, welche Probleme es extern und intern gibt. Und natürlich von all jenen, die sie dabei mit ihren Leistungen unterstützen. Das alles sind die relevanten ExpertInnen, die beurteilen können, was hilft und was nicht. Dafür braucht es einen klaren Rahmen (siehe Punkt 2.), auch den einen oder anderen inhaltlichen Impuls oder Hinweis. Vor allem braucht es ein strukturiertes Vorgehen, um hier zu guten Ergebnissen zu kommen. Dann geht das oft erstaunlich schnell.

Fehler #7: Wenn eine Re-Organisation scheitert, dann wird der Fehler nicht in der Re-Organisation gesucht.

Sondern die Schuld wird den Führungskräften („Die sind noch nicht soweit“) oder der Kultur („Die passt einfach nicht“) gegeben. Dass das Organisationsdesign inhaltlich vielleicht nicht funktional ist oder dass die Methoden zur Organisationsveränderung nicht adäquat waren, wird selten reflektiert.

Das kann helfen: Nicht immer wieder die gleichen Fehler machen. Davon ausgehen, dass es gute Gründe gibt, warum ähnliche Vorgehensweisen immer wieder zu ähnlich (schlechten) Ergebnissen führen. Nicht so sehr auf andere Organisationen und deren „Best Practices“ schauen. Auch nicht so viel auf externe Berater und deren aktuelle Management-Moden hören. Sondern sich intensiv mit der eigenen Wertschöpfung beschäftigen und auf dieser Grundlage ein eigenes, für das jeweilige Unternehmen passendes Organisationsdesign entwickeln.

Für Interessierte: Wer mehr über die drei Organisationsstrukturen erfahren will, kann das hier nachlesen: Org Physics: The 3 faces of every company

Photo by Steve Johnson on Unsplash