Herzlich Willkommen im Jahr 2024. Willkommen in dem Jahr, in dem Donald Trump vielleicht zum US-Präsidenten gewählt wird. Dem Jahr, in dem sich Österreich vielleicht auf den Weg in Richtung „Orbánistan“ machen wird. Einem Jahr, in dem die Auswirkungen der Klimakatastrophe zunehmend auch im persönlichen Umfeld zu spüren sein werden.
Willkommen im Jahr 2024, in dem sich die wirtschaftlich trübe Lage im Sinne einer Stagflation wahrscheinlich noch weiter verdunkelt. Ohne dass es große Lichtblicke gibt. Willkommen in einem Jahr, in dem die technologische Disruption und die politische Unberechenbarkeit potentiell zunehmen werden. Einem Jahr, in dem der Kostendruck wahrscheinlich stärker und die Arbeitskräfte-Knappheit voraussichtlich nicht weniger wird.
Nein, das sind natürlich keine Prognosen. Hier geht es nicht darum, Panik zu erzeugen oder Pessimismus zu verbreiten. Sondern darum, ein Gefühl zu bekommen für das, was kommen kann. Einen Ausblick auf das zu geben, worauf sich Menschen und Organisationen einstellen sollten, wenn sie auch in einer schlechteren Welt gut (über)leben wollen.
Die Zukunft gibt es nur im Plural
Persönliche Vorsätze, organisatorische Jahresziele oder eine umfassende Planung nützen dabei wenig. Die Zukunft gibt es schließlich nur im Plural. Nützlich ist hingegen die konkrete und handlungsorientierte Vorbereitung auf unterschiedliche Szenarien und Optionen. Noch wichtiger ist eine mentale und emotionale Vorbereitung. Denn ohne neue Prämissen und Paradigmen gibt es auch keine neue Praxis.
Dafür ist es wichtig, dort hinschauen zu können, wo es unangenehm und beängstigend wird (ohne zwanghaft hinschauen zu müssen!). Je offensichtlicher die Probleme werden, desto anstrengender und belastender wird ansonsten das Wegschauen. Das wahrzunehmen, was ist, ist manchmal schwierig – nur das zu sehen, was man gerne hätte, macht es noch schwieriger.
Angesichts der großen Komplexität und Unklarheit kann es dabei besonders wertvoll sein, wirklich zu wissen, was man will. Bei hoher Dynamik und Unsicherheit ist es aber auch besonders riskant. Denn es ist nicht unwahrscheinlich, dass das, was man gerne hätte, nicht (mehr) möglich ist. Wenn hinter dem Wollen dann ein (unbewusstes) „Ich muss“ oder „Wir brauchen“ steckt, wird es potentiell gefährlich.
Gute Haltungen und Handlungen für ungute Zeiten
Welche Sicht- und Verhaltensweisen können in diesem herausfordernden Kontext nützlich sein? Was können Organisationen tun, um sich vorzubereiten? Hier einige Anregungen:
- An der unternehmerischen und organisatorischen Anpassungsfähigkeit arbeiten (statt am Mindset und Verhalten der Mitarbeiterinnen).
- Die Robustheit der Organisation durch redundante Ressourcen und Kompetenzen stärken (statt auf Schein-Effizienzen zu setzen).
- Auf ernsthafte Arbeit und echte Wert-Schöpfung fokussieren (statt Zeit und Energie mit sinnloser Bürokratie oder modischem New Work zu verschwenden).
- Auf dezentrale Führungsintelligenz und selbstorganisierte Emergenz setzen (statt sich verzweifelt an den Ideen von zentraler Steuerung und geregelter Planung festzuhalten).
- Den Modus „Intervenieren, beobachten und subjektiv bewerten“ stärken (statt immer nur auf „Managen, messen und objektiv beurteilen“ zurückzugreifen).
- Den Prozess des Organisierens durch regelmäßige Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung beeinflussen (statt die Organisation als statische Struktur zu betrachten, die man immer wieder mit großem Aufwand und wenig Wirkung verändern muss).
Unangenehme Gefühle können wertvoll werden
Was können Menschen individuell tun, um sich gut auf schlechte Zeiten vorzubereiten? Zum Beispiel das:
- Sich mit unerwünschten Gefühlen wie Angst, Ohnmacht, Schmerz oder Wut anfreunden – denn sie werden in Zukunft treue Begleiter sein und können wertvolle Weggefährtinnen und Hinweisgeber werden.
- Nicht den schweigsamen und einsamen Helden spielen – nur im kontaktvollen Gespräch kommt man sich selbst auf die Spur, erst im Zusammenspiel mit anderen gedeiht die Widerstandsfähigkeit.
- Die Wahrnehmung des eigenen Fühlens und Wollens schärfen und differenzieren – und sich dabei immer weniger von angelernten Ersatzbedürfnissen ablenken zu lassen.
- Sich (vorläufig) für und damit auch gegen etwas entscheiden können – ohne sich von den sich daraus (zwangsläufig) ergebenden Enttäuschungen frustrieren zu lassen.
- Sich von (idealistischen) Erwartungen an die Welt, an andere und an sich selbst zu verabschieden – um dadurch freier, handlungsfähiger und kraftvoller zu werden.
- Zu akzeptieren und zu schätzen, im Außen abhängig (von der Natur, von der Gesellschaft, von anderen Menschen) zu sein – und zu lernen, im Inneren trotzdem unabhängig und für sich selbst verantwortlich zu sein.
Alte Landkarten helfen nicht mehr
Wenn man sich immer öfter in neuem, unbekanntem Gelände bewegt, kann man sich nicht mit Hilfe von alten Landkarten orientieren. Sie führen häufig in die Irre oder im Kreis. Bis es aber neue Landkarten gibt, hat sich die Landschaft wahrscheinlich schon wieder verändert. Multidimensionale Herausforderungen lassen sich ohnehin schlecht auf zweidimensionalen Landkarten abbilden. Hilfreich ist da eher eine gut fundierte, gut entwickelte und oft geübte Intuition: ein professionelles Bauchgefühl.
Dieser Artikel ist ursprünglich (in einer leicht adaptierten) Version im STANDARD erschienen: https://www.derstandard.at/story/3000000202632/wie-wir-zu-einer-guten-haltung-in-unguten-zeiten-kommen?ref=articleVier Strategien für Start-ups in Bedrängnis – Karriere – derStandard.at › Karriere